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Brückenbau statt Elfenbeinturm

Universität Duisburg-Essen, Campus EssenDeutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache Prof. Dr. Rupprecht Baur und sein Team

Einer beliebten Klischeevorstellung zufolge sitzen Akademiker im Elfenbeinturm und gehen dort unberührt von der Alltagswelt exotischen Spezialinteressen nach. Nun mag zwar in Klischees ein Körnchen Wahrheit stecken, aber wenn es um die Deutschlehrerausbildung und vor allem um Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Deutsch als Zweitsprache (DaZ) in der Essener Germanistik geht, sieht die universitäre Wirklichkeit ganz anders aus.

Schon an der Entstehungsgeschichte des Arbeitsbereichs, wird dies deutlich: Die Zusatzqualifikation "Deutsch als Zweitsprache/Interkulturelle Pädagogik" für Lehrer wurde unter dem Druck der in den siebziger Jahren verstärkten Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer und deutscher Aussiedler ins Ruhrgebiet geschaffen, für die Deutsch eine lebensweltliche Notwendigkeit war und ist. Dr. Johannes Meyer-Ingwersen (2000 †) machte die Notwendigkeit für eine angemessene Lehrerausbildung bewusst und sorgte mit für eine Umsetzung in konkrete Studienangebote.

Aufgrund der Stellung der deutschen Sprache in Europa und in außereuropäischen Ländern hat auch die Bedeutung des Deutschen als Fremdsprache zugenommen: deutsche Studierende wollen Qualifikationen erwerben, um im Ausland arbeiten zu können, ausländische Studierende möchten an der Universität Essen als Deutschlehrer und Germanisten ausgebildet werden. Dabei sind die Übergänge zwischen dem Deutschen als Fremdsprache und dem Deutschen als Zweitsprache fließend.

Hilfen zur Integration von Migranten

So gehören heute Veranstaltungen zu Themen um die Integration von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nicht deutscher Muttersprache zu den Standards des Faches, d. h. Lehrer werden darauf vorbereitet, dass sie es in der deutschen Schule und im deutschen Ausbildungssystem zu einem immer größeren Prozentsatz mit Lernern zu tun haben, die nicht aus "deutschen" Elternhäusern kommen und deren Herkunftssprache nicht das Deutsche ist. Dabei werden Lehrer sowohl auf das Erkennen allgemeiner sprachlicher Schwierigkeiten in der Primarstufe (die deutsche Rechtschreibung, die deutsche Grammatik) vorbereitet als auch auf Fragen der Besonderheiten von Fachsprachen (z. B. der Biologie oder der Physik) sowie auf besondere Schwierigkeiten der Schüler etwa im Übergang von Schule und Beruf.

"Diese Veranstaltungen sind ein hervorragendes Beispiel für die oft beschworene Verknüpfung von Forschung und Lehre - so haben wir in einem vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft geförderten Projekt zunächst die Hauptschwierigkeiten von ausgesiedelten Schülern erforscht, um dann zu ganz greifbaren Ergebnissen zu kommen: einerseits zu universitären Seminaren, die Lehrer vorbereiten, andererseits aber auch zu Materialien für die Schüler selbst." Selbstverständlich können die Studenten aber nicht nur etwas über die Schwierigkeiten erfahren, sie können sich mit der Welt der Migranten auch über das Lernen ihrer Sprachen vertraut machen.

Praktischer "Brückenbau" durch Sprachkurse

Kann man Verständnis für die Lernenden einer anderen Sprache entwickeln, ohne sich selbst darüber im Klaren zu sein, wie die eigenen Lernprozesse ablaufen? Im Fach Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ha-ben wir es in der Regel mit der Situation zu tun, dass eine Lehrperson, die das Deutsche als Muttersprache beherrscht, Lernenden helfen soll, die andere Sprachen als Muttersprachen mitbringen.

Effektive Methoden der Sprachvermittlung

Zum Rüstzeug einer guten Ausbildung gehört es nicht nur, Lernschwierigkeiten zu kennen, sondern auch, Methoden zu erwerben, mit denen besser gelehrt und gelernt werden kann. Zu diesem Zweck beschäftigt sich Prof. Baur bereits seit den 70er Jahren mit einer Lernmethode, die unter den Bezeichnungen "Super-learning" und "Suggestopädie" bekannt geworden ist.

Internationalisierung der Deutschlehrerausbildung

1993 wurde zwischen der Abteilung Deutsch der Hogeschool Holland in Diemen und der Universität GH Essen eine Partnerschaft mit dem Ziel vereinbart, niederländischen Lehramtsstudenten mit einem Aus-landssemester praktische Erfahrungen in Deutschland zu ermöglichen. Diese Partnerschaft wurde 1995 erweitert, so dass seitdem auch Essener Studierende des Fachs Deutsch Erfahrungen in den Niederlanden sammeln können.

Prof. Walter Schmitz, damals Dekan des Fachbereichs 3 der Universität GH Essen, fasste die Kernpunkte des Projekts zusammen: "1. Sensibilisierung für Fremdheit als Voraussetzung für interkulturelles Lernen. Im direkten Kontakt im Ausland, wo ich selbst Fremder bin, wird Fremdheit anders erfahren, als wenn man sich mit Migranten in Deutschland befasst. Natürlich gilt das auch umgekehrt für die Niederländer, die zu uns kommen. 2. Verbindung von Ausbildung und künftiger beruflicher Tätigkeit: Interkulturelles Lernen erfolgt in Nachbarländern in Bezug auf eine Sprache und Kultur, mit der während des Studiums und danach in der Schule ein direkter Kontakt und Austausch möglich sind. 3. Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen in Europa."

Germanistische Institutspartnerschaft mit der Universität Saratow

Was im Kontakt zu den Niederlanden gilt, gilt eigentlich auch für die Kontakte nach Russland. Aus der Arbeit im Bereich der Integration der Russlanddeutschen und dem Wunsch, die Grenzen einer Germanistik neu zu bedenken, sind vielfältige Kooperationen mit der Universität Saratow in Russland entstanden.
"Natürlich ist es schwieriger, Essener Studenten dafür zu begeistern, nach Saratow zu gehen. Aber vor einigen Jahren haben wir eine Exkursion unternommen und in diesem Jahr sind zwei Studentinnen als Tutoren für fast drei Monate dort. Das Interesse, Erfahrungen auch in Osteuropa zu sammeln, nimmt zu." Das gilt auch für Essener Dozenten des ganzen Fachbereichs. So waren in den vergangenen Jahren mehr als 15 Dozenten aus unterschiedlichen Fachrichtung in Saratow um die dortige Germanistik zu unterstützen.

Auf diese Weise konnten Themen angeboten werden, die es sonst an der Universität Saratow vielleicht nie gegeben hätte. Der Grundsatz ist nämlich: Alle einzelnen Maßnahmen dienen zur Förderung der Aus- und Weiterbildung von Studenten und Dozenten und machen sich an ganz konkreten Themen fest, wie etwa: Bilingualer Unterricht, Alternative Methoden des Fremdspracheunterrichts, moderne deutsche Literatur, die Sprache der Russlanddeutschen, Wortschatzanalysen sowie Phraseologie und Sprichwortforschung.

Der Förderunterricht - Praxisfeld für Studierende

Praxisferne der Ausbildung ist ein Vorwurf, der den Universitäten nicht selten vorgehalten wird. Mit dem Förderunterricht für ausländische Schüler (Dr. Claudia Benholz) hat der Arbeitsbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache ein praktisches Arbeits- und Anwendungsfeld für angehende Deutschlehrer in die Universität hineingeholt: Das Angebot wird möglich aufgrund einer bundesweit einzigartigen Kooperation zwischen dem Institut für Migrantenforschung, Ausländerpädagogik und Zweitsprachendidaktik (IMAZ) am Fachbereich 3 der Universität Essen und dem Schulverwaltungsamt sowie Essener Schulen.

"Ziel des Förderunterrichts ist es, möglichst vielen ausländischen Schülern zu einem qualifizierten Schulabschluss bzw. zum Hochschulzugang zu verhelfen." (Dr. Charitini Iordanidou). Dafür stellt das Schulverwaltungsamt der Universität jährlich Mittel zur Verfügung, damit 700 Schüler aus 12 bis 15 Nationen nach ihrem Schulunterricht an der Universität in allen Fächern Unterstützung erfahren.

Türkisch am Krankenbett

Dieser spezielle, von Dr. Rosemarie Neumann entwickelte Sprachkurs ist inhaltlich und organisatorisch auf die Bedürfnisse von Menschen zugeschnitten, die im Gesundheitswesen tätig sind. Dahinter steckt die Idee, dass zwar viele ausländische Mitbürger Deutsch sprechen und verstehen können, in einer Notsituation oder unter Schock aber oft nicht in der Lage sind, effektiv in der Fremdsprache Deutsch zu kommunizieren. Hinzu kommt das sehr fachspezifische Vokabular der Mediziner, bei dem es lebenswichtig sein kann, dass es auch vom Patienten verstanden wird. "Türkisch am Krankenbett" wird im Uni-Klinikum seit Jahren für Studierende und Mitarbeiter angeboten.

Verantwortlich für die Mitarbeit am DaF-Netzwerk:

Prof. Dr. Rupprecht BaurProf. Dr. Rupprecht Baur Dr. Charitini IordanidouDr. Charitini Iordanidou

Kontakt

Rupprecht S. Baur
Universität Duisburg - Essen
Standort Essen
Deutsch als Zweitsprache
Universitätsstrasse 12
D-45117 Essen
Tel.: ++49-210 183 3580


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